Einbürgerungen: Der Volkswille soll entscheiden!

Der Bund sieht eine Einbürgerung primär als Verwaltungsakt, nicht als politischen Akt. Dies bedeutet jedoch, dass nicht mehr der Volkswille im Vordergrund steht. Der Souverän wird nach und nach seiner Rechte beschnitten. Teilweise kann er eine Einbürgerung nur verhindern, indem ein begründeter Antrag gestellt wird. Ansonsten werden Gesuchsteller ohne Abstimmung einfach eingebürgert. Gleichzeitig sind die Voraussetzungen für ein entsprechendes Gesuch viel zu tief.

Eigentlich sind die Zuständigkeiten bei einer ordentlichen Einbürgerung klar geregelt: Bund und Kantone setzen die Voraussetzungen für die Erteilung des Bürgerrechts fest. Den Entscheid treffen die Gemeinden, wobei sie bei der Bestimmung des dafür zuständigen Organs völlig frei sind. 2003 hat jedoch das Bundesgericht Urnenabstimmungen für verfassungswidrig erklärt. Begründung: Einbürgerungen seien Verwaltungsakte und müssten als solche begründet werden, was bei einer Urnenabstimmung nicht der Fall ist.

Das Schweizer Stimmvolk wurde mit diesem Urteil enorm in seiner Entscheidungsfindung eingeschränkt. Die Grundfesten der direkten Demokratie wurden damit erschüttert.

Abgelehnte Einbürgerungen in Emmen als Auslöser
Auslöser für das Urteil des Bundesgerichts war folgender Fall: als Folge der Ablehnung ihrer Einbürgerungsgesuche haben am 19. März 2002 in der Gemeinde Emmen fünf Gesuchsteller staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Luzern erhoben, der die Verweigerung der Einbürgerungen durch die Gemeinde Emmen geschützt hatte. Hauptsächliches Argument der Kläger war dabei die Behauptung, dass die Ablehnung der Einbürgerungsgesuche einer Gruppe von Personen aus Ost- und Südosteuropa das in der Bundesverfassung enthaltene Diskriminierungsverbot verletzt habe. Zusätzlich wurde von den Klägern geltend gemacht, dass eine Begründung für die Ablehnung ihrer Gesuche nicht vorhanden sei. Das Bundesgericht schloss sich dieser Argumentation vollumfänglich an und hob den Nichteinbürgerungsentscheid auf.

Demokratische Tradition im Kreuzfeuer der Justiz
Mit gewundenen Begründungen sowie einseitiger Gewichtung der Bundesverfassung zu Gunsten der juristische Lehre und gegen die demokratischen Grundsätze der freien Meinungsbildung des Stimmbürgers hat das Bundesgericht die bis anhin geltende Einbürgerungspraxis komplett über den Haufen geworfen. Das hohe Gericht hat das in der Bundesverfassung enthaltene Diskriminierungsverbot – in sehr grosszügiger Auslegung – höher gewichtet als die ebenfalls in der Verfassung verankerte freie Willensbildung des Stimmbürgers (Art. 34 BV).

Es mutet seltsam an, wenn das Bundesgericht im Entscheid Emmen die „Erfolgsquote“ der Einbürgerungswilligen mittels Prozentrechnung ermittelt und ausrechnet, wie viele Prozent der gesuchstellenden Ost- und Südosteuropäer und wie viele Prozent der gesuchstellenden Westeuropäer eingebürgert worden sind. Da stellt sich unweigerlich die Frage, wie viele Prozent von Gesuchstellern aus Ost- oder Südosteuropäer denn eingebürgert werden müssten, damit das Bundesgericht keine Diskriminierung mehr erkennen kann.

Somit ist klar, dass das Bundesgericht zur Auffassung gelangt ist, bei der Verleihung des Bürgerrechts handle es sich um einen Verwaltungsentscheid, was faktisch auf einen Rechtsanspruch auf den Schweizer Pass hinausläuft, sobald die Rahmenbedingungen des Bürgerrechtsgesetzes erfüllt sind. Selbstverständlich ist die für die Schweiz fundamental wichtige Gewaltentrennung zu achten, womit folglich die Entscheide des Bundesgerichtes zu respektieren sind.

Der Souverän muss entscheiden!
In einem direktdemokratischen Staat wie der Schweiz berechtigt das Bürgerrecht nicht nur zur Teilnahme an Parlamentswahlen, sondern via Referendum und Initiative auch zur Einflussnahme auf sachpolitische Vorlagen. Durch diese „Ganzjahresdemokratie“ haben Schweizerinnen und Schweizer einen unmittelbaren Einfluss auf die künftige Gestaltung der „Idee Schweiz“. Es geht bei der Erteilung des Schweizer Bürgerrechts um nicht mehr und nicht weniger als um die Berechtigung, an der Gestaltung der „Idee Schweiz“ mitzubestimmen. Die künftige Ausgestaltung unseres Staatsgebildes, unseres Rechtssystems, der schweizerischen Identität, des eigenen Wertekonsenses ist ein hochpolitischer Akt. Es ist daher legitim, dass Schweizerinnen und Schweizer ihre eigenen Vorstellungen über die weitere Entwicklung des eigenen Staatsgebildes umsetzen wollen.

Daraus leitet sich letztlich auch die Legitimation ab, gemäss eigenen Vorstellungen, bei Einbürgerungswilligen gesellschaftliche und politische Normen zu verlangen, und Einzelnen oder Gruppen die Einbürgerung zu verweigern, welche diesen Normen nicht entsprechen.

Beispiel Kanton Zürich
Im Herbst 2010 wurde im Zürcher Kantonsrat ein verschärfter Entwurf für das Bürgerrechtsgesetz diskutiert. Wer künftig ein Einbürgerungsgesuch stellt, muss im Besitz der C-Niederlassung sein. Erleichterungen für junge Ausländerinnen und Ausländer wird es nicht mehr geben. Bislang konnten diese bereits nach 2 Jahren ein Gesuch stellen, nun müssen sie genauso wie alle anderen Ausländer mindestens 3 Jahre in der Gemeinde gewohnt haben, in welcher der Antrag gestellt wird. Arbeitslosengelder gelten neu nicht als Voraussetzung zur wirtschaftlichen Erwerbsfähigkeit und dürfen somit nicht angerechnet werden.

Trotz allem geht auch der Entwurf für ein neues Bürgerrechtsgesetz im Kanton Zürich noch nicht weit genug. So gibt es keine längeren Wartezeiten oder Hürden für straffällig gewordenen Personen. Eine solche Regelung existiert für die ganze Schweiz nicht. Somit können Verbrecher, Mörder und Vergewaltiger den Schweizerpass bekommen. Auch IV-Bezüger können eingebürgert werden.

Ein Lösungsvorschlag
Es sollte Sache des jeweiligen Souveräns sein, wer in einer Gemeinde eingebürgert wird und wer nicht. Schliesslich müssen die Bewohner der Gemeinde danach auch die Konsequenzen tragen. Die freie Willensäusserung gehört zu den Grundwerten der Schweizer Demokratie. Weder Bund noch Kanton sollen sich in die Angelegenheiten der Gemeinden einmischen. Eine Intervention widerspricht dem föderalistischen Grundprinzip.

Gleichzeitig müssen weitere Hürden für den Erhalt des Schweizer Bürgerrechts eingeführt werden. Eine Möglichkeit wäre es, das Bürgerrecht auf Probe zu erteilen. Gerade für jüngere Ausländer wäre dies eine praktikable Lösung, denn überdurchschnittlich häufig werden junge Menschen straffällig. In einer dreijährigen Probezeit könnten sich die neu Eingebürgerten beweisen, genau gleich wie beim Führerausweis. Wer sich nicht an die Regeln hält, dem wird der Schweizerpass wieder entzogen. Mit diesem Mechanismus würde der endgültige Erhalt des Schweizer Bürgerrechts sogar noch aufgewertet werden. Der Schweizerpass muss eine Auszeichnung sein für eine gelungene Integration und darf nicht leichtfertig vergeben werden.